14.11.2014, Bochum, Ruhrkongress

14.11.2014, Bochum, Ruhrkongress

Guten Morgen, liebes Tagebuch!

Weiter geht es mit den Geburtstagsfeierlichkeiten. Diesmal hat die ganze Band. Wir werden 16. Bzw. feiern wir heute auf den Tag genau unser 16. Bühnenjubiläum. Hipp hipp hurra, die Humpen her…

Wir treffen uns wie immer am Tag vor der Show zur Abfahrt mit dem Nightliner. Blöderweise hat sich mein Körper heute ein kleines Handicap überlegt. Alle Jubeljahre beglückt er mich mit einem Migräneanfall. Ich rede hier nicht von Kopfweh, sondern Migräne. Sprich, es geht los mit Sehstörungen, danach kommen die Schmerzen und man fühlt sich, als hätte einem jemand den Stecker aus der Dose gezogen. Akku komplett entladen. An Autofahren ist also nicht zu denken. Ich schau schon mal nach einer Zugverbindung. Von mir nach Bochum schlappe 8 Stunden. Na super… Ich rufe also Anna an, die wohnt nicht weit von mir, ob sie schon gestartet ist. Ist sie nicht und hat trotz Baby und Nanny auch noch einen Platz frei. Ok! Meine Frau bringt mich ins Flachland zu Anna und ich steige bei ihr ins Auto. Nächster Stopp: Nightliner! Und da lege ich mich schnell in meine Koje. Erholsamer Schlaf ist heute in doppelter Sicht (auch das kann man heute wörtlich nehmen) nicht wirklich möglich, aber zumindest kann ich liegen.

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Gegen 10 Uhr erreichen wir Bochum und ich stehe auf. So ungefähr fühlt sich wohl eine ausgezuzzelte Weißwurschthaut. Ich frühstücke und suche die Backstageräume im ersten Stock auf. Hier ist es ruhig. Ich beantworte ein paar Mails, dann lege ich mich noch einmal auf die Couch. Ausgerechnet heute spielen wir auch noch knapp 3 Stunden. Ich schiebe die Gedanken an die Show erstmal auf die Seite. Es ist ja noch etwas Zeit…

Nach dem Ausfall in Leipzig, gehe ich mit Micha auf Fehlersuche an meinem Amprack. Wirklich fündig werden wir nicht, aber zumindest spielt alles. War wohl irgendein Midimist mit anschließendem (Um-)Steckfehler. Wir bringen zusätzlich eine etwas optimierte Notfalllösung an den Start und vertrauen auf die Technik.

Zum Soundcheck um 16 Uhr spielen wir nochmal alle neuen Nummern im Programm. Denn heute wird einmalig das komplette Unendlich-Album dargeboten. Hierzu haben wir bei zwei Nummern Heiner (WETO) am Piano dabei, bei einer Nummer die Anna vom Sunshine4kids-Musical und bei Märchenmond darf mein lieber Backliner Micha noch etwas Gitarre spielen, weil ich nur 2 Hände habe, mit denen ich bei der Nummer eh schon 2 Gitarren bediene… Entsprechend lang dauert der Soundcheck und gegen Ende merke ich, dass es schon wieder losgeht. Es flimmert, Teile des Gesichtsfeldes verschwinden. Na danke! Das hatte ich in 16 Jahren so auch noch nicht. Und gerade heute bleibt nicht mehr viel Zeit, weil die Show früher beginnt und dazu noch länger geht. Aber das erwähnte ich ja bereits. Jetzt gibt es nur noch eins: Durchziehen und Durchhalten. Ich entscheide mich gegen Hinlegen, weil ich nicht weiß, ob ich dann wieder in die Höhe komme. Außerdem möchte ich meine lieben Mitmusiker nicht weiter beunruhigen, die haben eh mitbekommen, dass ich nicht ganz auf der Höhe bin.

Also vertraue ich auf die Energie, die man an so einem Abend aus der Musik, dem Teamgeist und dem Publikum erhält und erinnere mich an die Finnische Weisheit: Wem Wodka und Saune nicht helfen, der ist tot. Für einen Saunabesuch reicht die Zeit nicht mehr, für das andere gibt es was von Absolut.

Ein paar Happen vom Abendessen und dann heißt es auch schon umziehen. Anstoßen, ritualisieren und ab geht es in Richtung Bühne. Noch einmal tief durchschnaufen und dann gibt es kein Zurück mehr. Anna versucht tatkräftig, mich mental zu unterstützen und alle anderen fragen zwischendurch mit ihren Blicken nach meinem Befinden. Ab der Hälfte der Show sehe ich wieder gerade und das ist die halbe Miete. Alles andere ist mir in dem Moment egal oder lässt sich zumindest beiseiteschieben. Jetzt kann ich tatsächlich die Show genießen und lerne ein paar Dinge:

1. Ich habe die tollste Band der Welt. Was hier an Interaktion und Für-einander-dasein passiert ist unfassbar.

2. Wir haben das beste Publikum der Welt, das einen auch in unschönen Momenten tragen kann.

3. Unsere Musik ist tatsächlich eine Art Therapieform.

4. Man kann doch mehr ab, als man manchmal denkt.

5. Ich brauch sowas trotzdem nicht nochmal…

Nach der Show heißt es umziehen und nochmal raus zu den Fans gehen. Die warten schon auf uns.
Auch backstage sitzen noch viele bekannte Gesichter. Ich ziehe mich irgendwann in die Garderobe und schließlich in den Bus zurück. Was für ein Tag! Jetzt ab in die Koje und den Kopf aufs Kissen gelegt!

Gute Nacht!

Hipp Höpp

Ducky