27.4.2018 – 29.4.2018, Pratteln Z7, Memmingen Kaminwerk, Losheim Hexentanz

27.4.2018 – 29.4.2018, Pratteln Z7, Memmingen Kaminwerk, Losheim Hexentanz

Guten Morgen liebes Tagebuch!

Ein verrücktes Jahr! 20 Jahre Schandmaul, noch zwei Konzerte aus 2016/17 nachzuholen, zwischenzeitlich immer mal im Studio und an neuen Songs arbeiten bzw. für die Ewigkeit festhalten. Es ist also nicht so wie sonst, dass wir uns ein paar Wochen im Studio einbuchen und in dieser Zeit dann keine Konzerte sind. Man muss einfach nach den Gegebenheiten arbeiten und das bedeutet immer wieder auf- und abbauen und vom Studio- in Livegeschehen zu switchen.
Dieses Wochenende stehen gleich 2 Besonderheiten an: die letzten beiden Nachholkonzerte der „Leuchtfeuer“-Tour, die wir irgendwann, weil es ja schon stramm auf die 20 zuging, in „von Leuchtfeuern und anderen Halunken“-Tour umbenannt haben. Und das erste Open Air, also die Eröffnung der Festival-Saisson.
Pratteln_Memmingen_Hexentanz_2018-5

Doch zunächst treffen wir uns am frühen Nachmittag am Proberaum. Wir haben an den ersten beiden Tagen Shiran von Krayenzeit für den Geigenpart ausgeborgt und mit ihr müssen wir noch proben. Wir merken schnell, dass es eine reine Durchlaufprobe wird. Shiran hat alles super auf dem Schirm und es gibt keinen Grund für Sorgen oder sonstige Unwohlgefühle. Sehr schön, dann darf der Nightliner kommen. Bis er eintrifft gehen wir noch zum Chinamann überm Proberaum und dann starten wir auch schon in Richtung Pratteln. Nur einen Steinwurf hinter der Grenze und trotzdem gab es diesmal ein riesen Trara wegen unserem Carnet. Damit ist jetzt nicht dieser Internetquatsch aus modernen Autos gemeint, sondern ein mehrseitiges Zolldokument, also nicht Car-Net, sondern Carneee gesprochen, weil’s französisch ist und für die Schweiz gebraucht wird. Davon gibt’s normalerweise eines für alles. Man belädt den Truck, der Zoll kommt vorbei, prüft, dass das im Truck auch mit dem auf dem Papier übereinstimmt, macht den Trailer zu und verplombt ihn. Dummerweise haben wir noch Equipment im Proberraum, weil wir ja parallel im Studio sind, der Truck mit dem restlichen Equipment aber aus Ochtrup kommt. Also brauchen wir ein zweites Untercarnet für die Dinge, die wir in den Bushänger packen. Und unser uns zugewiesener Zollbeamte ist seeeeeehhhhr genau. Da ist es sehr dumm, dass bei einer meiner Gitarren auch noch ein Tippfehler in der Seriennummer ist. Ein E statt einem F. Bei einer Customgitarre mit DUCKY-Schriftzug im Griffbrett. Klar. Die kann man mal eben einfach so in der Schweiz kaufen. Ich erspare dem werten Leser Details, auf welchen Umwegen es dann doch möglich war, aus einem E ein F zu machen und schließlich das Zolldokument zu bekommen.

Wir sitzen also im Bus und starten in die Schweiz. Irgendwann verabschiede ich mich in die Koje und werde – wie immer – von meiner inneren Uhr geweckt. Es ist 7 und damit viel zu früh. Trotzdem habe ich ein dringendes Bedürfnis und verlasse den Bus. Das Z7 ist noch zu, aber am Einlass gibt’s Toilettencontainer. Die sind auch abgesperrt. Na herrlich, geht ja gut los. Dann muss eben das angrenzende Wäldchen herhalten. Phhuuuu. Gerade noch geschafft. Auf dem Rückweg zum Bus treffe ich Thomas mit einer Rolle Kuchenpapier unterm Arm. Er hatte das gleiche Problem…

Ich lege mich nochmal zwei Stündchen hin, dann hat der Klub endlich offen und es gibt Frühstück. Die Sonne lacht vom Himmel und ich beschließe, am Rhein spazieren zu gehen und noch ein bisschen die Ruhe zu genießen. Herrlich! Zwei Stunden später bin ich wieder zurück. Rechtzeitig zum Soundcheck. Für den nehmen wir uns heute etwas mehr Zeit, dass Shiran noch einmal anspielen kann, was sie möchte und rundum zufrieden ist.
Bis zum Abendessen setzen wir uns noch zusammen, es gibt einiges für die kommenden Wochen und Monate zu besprechen.
Dann gibt’s lecker Abendessen und die Türen werden geöffnet. Krayenzeit legen los und wir bereiten uns auf die Show vor.
Es wird ein toller Abend. Das Z7 ist bummsballervoll und das große Tor am Einlass bleibt einfach offen. Die Schweizer haben sich sichtlich auf uns gefreut und so feiern wir das erste der beiden Nachholkonzerte ausgelassen gemeinsam gute 2 Stunden lang.
Nach der unbedingt nötigen Hygienisierung und Trockenlegung geht’s wieder raus zu den Fans, bis wir von den Secus aus der Halle gekehrt werden.
Gegen 1.30 Uhr geht es weiter nach Memmingen. Matthias bringt uns noch einen uneingeplanten Zwischenstopp: Im Bus brennt zwischen zwei Sofas ein Teelicht, Matthias lehnt sich entspannt zurück und mit dem Rücken genau in die Flamme. Beherzte Mitreisende verhindern Schlimmeres und so bleibt es bei zwei Brandlöchern im Pulli und einer Lüftungspause.

In Memmingen bleibt mir das morgendliche Problem des Vortages erspart und ich bleibe bis der Klub öffnet liegen. Nach einem ordentlichen Frühstück mache ich mich auf, um das schöne Wetter auszunutzen. Irgendwo in der Nähe muss es einen Wald geben, der sich dank Industriegebiet allerdings noch nicht erahnen lässt. Doch ich werde fündig! Es geht eine Allee mit uralten Linden entlang, die hier bestimmt schon standen, als der Galgenberg noch ein solcher war.
Dann kommt der Wald und ich genieße Sonne und Natur.
Memmingen war das Konzert, das wir nach 20 Minuten abbrechen mussten. Heute sind alle fit und wir freuen uns, mit dem heutigen Abend die Tournee 2016 endlich abzuschließen.

Der Soundcheck dauert keine 20 Minuten und wir treffen uns noch einmal, um das 20 Jährige Jubiläum zu besprechen.
Danach gibt’s Abendessen und der Einlass in die Biosauna beginnt. Viel Sonnen den ganzen Tag, da wird es warm… Letztes Mal lag Schnee und Eis…
Krayenzeit haben bereits eine Bombenstimmung. Dann sind wir dran und man merkt es ab der ersten Sekunde. Das Publikum will feiern und wir ebenso, Außerdem spielen wir uns förmlich den Fluch der letzten 1,5 Jahre aus den Leibern. Es wird ein tolles Konzert, für mich persönlich eines der besten und energiegeladensten der letzten Zeit – was natürlich immer völlig subjektiv ist.

Nach der Show gibt’s noch ein paar nette Gespräche, Fotos, Unterschriften und dann geht es in den Bus. Auf nach Losheim zum Hexentanz. Das erste Open Air. Es ist Regen gemeldet… Na prima…

In Losheim angekommen sehe ich, dass es ziemlich frisch geregnet hat. Jetzt scheint aber die Sonne und es ist warm. Ich hole mir einen Kaffee und setzte mich unter einen Ahorn. Von oben falen ständig irgendwelche Dinge auf mich. Erst denke ich an Blüten oder etwas in der Art. Bis ich hinschaue. Es sind KEINE Blüten sondern MAIKÄFER! Die paaren sich zu tausenden in den Bäumen und sind danach anscheinend so erschöpft, dass sie teilweise nach unten fallen, sich da kurz erholen und dann brummend wieder starten.
Im Cateringzelt dann die erste Hiobsbotschaft: Unwetter sind angekündigt. Der Veranstalter erwägt, den Tag gar nicht erst zu starten. Doch für eine Entscheidung ist es zu früh, der Wetterdienst aktualisiert seine Daten gegen 15 Uhr wieder. Bis dahin wird die Entscheidung verschoben, die ersten Bands können also spielen. Dann treffen sich die Verantwortlichen noch einmal um zu beschließen, was passiert. Mit dabei ist Andy, unser technischer Leiter.

Als wir gegen 15.45 Uhr zur Autogrammstunde gehen, wissen wir es bereits: Die Warnungen sind so konkret, dass es keine andere Möglichkeit gibt als einen vorzeitigen Abbruch. Vorschlag unsererseits wäre noch gewesen, alle noch ausstehenden Bands einschließlich uns auf 45 Minuten Setlänge zu kürzen, dass zumindest alles in gestraffter Form stattfinden kann. Doch da die Unwetterwarnungen nicht exakt sagen können, wann es knallt und DAVOR das Gelände geräumt und die Bühne zumindest frei von Planen sein muss, entscheiden sich die Verantwortlichen für einen sofortigen Abbruch. Thomas, Holly und Benn haben die schwierige Aufgabe, das dem Publikum – bei noch strahlendem Sonnenschein – beizubringen. Die meisten verstehen es.

Wir drehen noch ein kurzes Video für Facebook, dann ist tatsächlich Feierabend, ohne einen Ton gespielt zu haben. Nicht schön, aber bestimmt die beste Entscheidung in Punkto Sicherheit, zumal wir inzwischen wissen, dass es uns mitten in unserer Show getroffen hätte. Ich kann an der Stelle nur betonen: Frank, der Veranstalter, hat alles richtig gemacht und die Sicherheit seiner Gäste vor seine eigenen Interessen gestellt! Das ist bei weitem nicht selbstverständlich. Unterstützt ihn weiterhin, indem ihr dieses tolle Festival auch nächstes Jahr besucht. Leider kann das bei jedem Open Air passieren, wie Rock am Ring letztes Jahr gezeigt hat…

Wir sitzen mit den Kollegen noch etwas zusammen, essen zu Abend und schließlich verabschiedet sich jeder. Die einen ins Hotel, wir in den Nightliner und ab geht es nach Hause.
Das verfrühte Feierabendbier schickt mich bereits gegen 22 Uhr in die Koje.
Gute Nacht

Hipp Höpp

DUCKY